(Liebeskummer)Interview mit einer Henne

Der blonde Henne vorm Tennisclubhaus

Wir haben Henne in den letzten Tagen, damit er sich endlich mal von seinem „Liebeskummer“ und seinem Leben ablenken kann, nach St. Moritz „entführt“. Hier entstand auch dieses Interview.

Anmerkung: Dieses „Interview“ mit mir wurde zu einer Zeit des Blogges geführt und veröffentlicht, als ich noch sogenannte Redakteure (meistens Freunde oder Personen, die für den Blog schreiben wollten) hatte, die Beiträge im Blog veröffentlichen konnten und später in mein neus Blog übertragen.
Dieses Interview wurde von meiner damals besten Freundin Melly mit mir geführt. Wir waren „jung“ und empfanden als es eine gute Idee, um meinen Lesern vorzustellen.
Der Inhalt ist etwas länger. Wenn dein Computer oder Smartphone dir Texte vorlesen kann, empfehle ich diese Funktion. ^^
Und jetzt viel Spaß beim Lesen.

Vorworte

Wir haben dieses Interview nicht an einem Tag gemacht, sondern an mehreren, dadurch schwangt die Stimmung von Henne etwas und es kann zu Brüchen kommen. 😉 Wenn etwas in Klammern steht, dann bedeutet dies, dass es eine Anmerkung der „Redaktion“, also von mir Melly, ist bzw. beschreibt damit auch Reaktionen und Ausdrücke der Interviewpartner.

Interview mit Hendrik

Dieses Interview entstand im Februar 2006, keiner konnte ahnen, dass dies nur der Anfang war und alles noch viel schlimmer kommen könnte. Wir entschieden uns dann später dieses Interview nicht mehr auf der Seite zu veröffentlichen. Nachdem jetzt mehr als ein 1,5 Jahre vergangen sind und in Absprache mit Hendrik wird dieses Interview doch veröffentlicht. Im Anschluss an dieses Interview werdet ihr noch eines finden, was die Zeit zwischen Februar 2006 und Juli 2007 widerspiegelt.

Ach, ich bin also ein Zustand?

Redaktion: Hallo Henne!
Henne: Hi Redaktion! (lacht)
Redaktion: Warum grüßt du mich mit Redaktion und warum lachst du?
Henne: Weil ich mir sicher bin, dass im Interview als Interviewer „Redaktion“ steht, stimmts? (steht auf und geht zum Fenster)
Redaktion: Bin ich so durchschaubar?
Henne: Ja, Melly. (steckt die Zunge raus)
Redaktion: Okay, fangen wir von vorne an.
Henne: Noch mal die Begrüßung, muss das sein? (seufzt und spielt mit einer Schere)
Melly: Ja, Henne und sei vorsichtig, die ist scharf.
Henne: Okay, aber ich spiel‘ nur damit! Hi Melly! (grinst)
Melly: Hallo Henne! Wie geht es dir?
Henne: Öhm, (blickt fragend) mir geht’s (Pause) gut und dir?
Melly: Ich stelle hier die Fragen! (lacht)
(Henne lacht mit)
Melly: Gut, kommen wir zu deinem Zustand später!
Henne unterbricht: Ach, ich bin also ein Zustand? Hm, gut zu wissen. Jetzt bin ich eingeschnappt. (lacht verschmitzt und wirft mit einem Tennisball)
Melly: Ach Henne, nun lass uns endlich anfangen und sitzt mal ruhig. Du machst einen ganz verrückt mit deinem Gelaufe und Gezappel.
Henne, murmelt etwas, das man nicht versteht und: Dann fang an.
Melly: Es heißt doch. „Hennen rennen“, rennst du auch?
Henne: (lacht) Oh ja, Hennen rennen. – Rennen ist ein Hobby von mir. Ich jogge unheimlich oft – eigentlich täglich bei uns auf dem, hm, ich sage dazu immer Deich, das ist wohl gar keiner. Also das ist so ein Landstück zwischen Ostsee und so einem „Brackgewässer“. Ich bin eigentlich ein ziemlicher „Zappel- Phillip“, ziemlich unruhig, wenn ich nicht gerade wenig geschlafen habe… (grinst) Eigentlich hätte ich Phillip heißen müssen. (lächelt) Na ja, aber bei uns in den USA gibt es keinen „Zappel- Phillip“, zumindest nicht eins zu eins.
Melly: Das kennen wir von dir ja. Wenn du auf einem Stuhl sitzen sollst, zappelst du ewig rum. Bist ein bisschen hyperaktiv?
Henne: Ja, das sagt man gerne, aber ich habe das soweit im Griff. Mein Dad war auch immer dagegen, dass ich die typischen Medis bekomme, obwohl so mancher Lehrer es sich sicher wünschte. (lacht) Also früher war das viel schlimmer. Da habe ich es manchmal kaum auf dem Stuhl ausgehalten, aber mein Dad hat mir Tricks gezeigt, wie es geht. Trotzdem heute genieße ich meine Aktivität auch. Das hält mich schlank. LOL
Melly: Zu schlank, Henne. Aber wir wissen, du willst auf 53 kg herunter. Ich sage nichts dazu. Außer, dass du joggst und hyperaktiv bist, was treibst du sonst noch?
Henne: Gar nichts. Ich habe ja niemanden. (lächelt)
Melly: Henne, das meinte ich nicht. Sei nicht so…
Henne, fällt mir ins Wort: Ach so, na ja, sonst spiele ich Tennis, das immer aktiver. Ich muss die Energie ja loswerden und damit auch Gewicht. (blinzelt)

Dann werde ich die Weltherrschaft erobern

Melly: Was machst du zurzeit?
Henne: Also gerade sitze ich hier an der Heizung und wir unterhalten uns bisher sehr sinnig. (grinst) Ansonsten versuche ich meine Mitte neu zu finden und ach ja, ich gehe zur Schule, um irgendwann Medizin zu studieren. (guckt nach unten) Ich werde einmal so ein geiler Arzt wie mein Daddy und dann, dann werde ich die Weltherrschaft erobern. (lacht hämisch) Ich werde der größte Mediziner der Welt. (lächelt)
Melly: Henne?
Henne: Ja?
Melly: Ach, du nimmst das nicht ernst.
Henne: Doch, das mache ich.
Melly: Zurzeit ist es doch so, dass du nicht viel machst, dass du für dein Leben noch einmal eine Wartezeit für dich eingelegt hast. Warum hast du das gemacht?
Henne: Das hat viele Gründe, aber wird das Interview nicht zu ernst, wenn ich diese Frage beantworte?
Melly: Ich glaube nicht. Du solltest darüber mal reden, finde ich.
Henne: Hm, okay, das mag sein, aber ich habe nicht mal dem wichtigsten Menschen in meinem Leben davon erzählt, was zurzeit in mir vorgeht.
Melly: Der wichtigste Mensch? Wer ist das?
Henne: Vielleicht sollte ich wichtigste Menschen sagen. Zum Einen bist du das, dann sind da noch mein kleiner Phillip (Anmerkung der Redaktion: das ist Hendriks Bruder, der älter und größer ist als er) und mein Engel. (Hendrik wird ernst und guckt traurig)
Melly: Wollen wir aufhören? Soll ich was anderes fragen?
Henne: Nö, mach‘ ruhig weiter. Das geht schon. Also das erste Mal habe ich mein Leben einem Pausenstadium, ich nenne sie die „Kreativpause“, unterlegt, weil ich Panikattacken im Februar 2004 bekommen habe, die mich dann immer mehr zu Hause einsperrten, was sich mit der Nachricht der Adoption überschnitt in dem Jahr… Aber davon habe ich bereits auf der Seite erzählt. Dieses Jahr, okay, bereits letztes Jahr, – na ja, ich habe es versucht. Meine Panik, na ja, die ist eigentlich… Nein, sie ist nicht wirklich weg, nur wenn ich ein Medikament nehme. Okay, das hilft, aber ich finde, das ist kein Zustand und ich glaube, es macht keinen Sinn.
Melly: Keinen Sinn? Warum nicht? Wenn es doch hilft? Nimmst du es noch?
Henne: Nein, ich nehme es nicht mehr. – Mir fehlt mehr und mehr der Sinn. Ich hatte mal eine Vision, was ich mit einem bestimmten Alter geschafft haben möchte. Eben so eine typische „To Do- Liste“, die wohl jeder von uns hat. Ich habe vieles davon nicht geschafft, besonders in den letzten zwei Jahren ist vieles „liegen“ geblieben. Ich fürchte, (atmet tief durch) ich werde das auch nicht mehr aufholen können.
Na ja, viele meiner Visionen lassen sich auch nicht erfüllen, weil Umstände in meinem Leben, es nicht zu lassen würden.
Melly: Umstände in deinem Leben? Versteh ich nicht!
Henne: Okay, anders gesagt. Menschen und Schicksale lassen das nicht zu. Wobei Menschen und Schicksale sehr verbunden sind. Ich denke, das Schicksal hat die Oberhand. (Henne seufzt leise) Es geht einfach seit zwei Jahren so alles schief, was schief gehen kann.
Ich war immer so ein „Glückskind“, mir flog sonst immer alles zu. So viel Pech hatte ich noch nie in meinem Leben. Ich kannte es ja nicht. Es scheint, als klebe das Pech an meinen Hacken. (guckt an sich runter) Hm, okay, an diesen Schuhen klebt nichts. (lacht) Ich lasse keineswegs einfach so den Kopf hängen, ich bin eigentlich niemand, der alles nur schwarz sieht. (Henne denkt nach) Nein, das ist sogar etwas, was ich bisher immer etwas verabscheute. Wieso eigentlich bisher, ich verabscheue es immer noch, wenn Menschen immer nur schwarz sehen. Aus dem schlechtesten versuche ich immer noch das positive zu sehen. (denkt wieder nach) Besonders bei anderen.
Melly: Bei anderen?
Henne: Ja, ich kann Probleme für andere ganz leicht lösen. Mache es ständig, aber meine eigenen bleiben liegen. Das hat auch was Gutes. (schweigt)
Melly: Was gutes? Was ist daran gut?
Henne: Na ja, ich denke in der Zeit nicht an meine und das lässt mich manchmal glücklicher erscheinen.
Melly: Gut, aber was bekommst du dafür?
Henne: Hm, das es mit in der Zeit besser geht? (guckt fragend)

Meine besten Freunde haben mich verlassen, als es mir am schlechtesten ging

Melly: Und sonst?
Henne: Erwarte ich nichts. Ich habe es aufgegeben. Außerdem, guck doch mal, ich habe es besser als 98% der Menschheit, wenn nicht sogar 99%, also vom Materiellem her, ich darf mich gar nicht beschweren! (grübelt)
Melly: Heißt das, dass du nichts zurück bekommst?
Henne: Ich weiß nicht. Ich gebe gerne, dafür erwarte ich nichts. Nein, das tue ich nicht. Ich habe früh gelernt, nichts zu erwarten… Obwohl, manchmal ertappe ich mich, dass ich traurig bin, wenn ich gar nichts erhalte. Ich spreche dabei nicht von Geldwerten, die den Menschen heute immer wichtiger werden, Geld ist für mich sekundär, davon hat Dad und Mom genug, ich meine andere Dinge, die man erhalten könnte. Aber wie gesagt, ich erwarte es wohl doch nicht.
Melly: Du klingst anders als damals.
Henne: Ja, das kann sein, aber ich habe schon damals nichts erwartet. Na ja, ich meine, damals hat mich so was auch nicht interessiert. Es war mir egal, die meisten, die mich nicht kannten hielten mich doch nur für einen eingebildeten „Schnösel“. Das änderte sich ja erst, als ich Schülersprecher wurde. Ich denke, seitdem gelte ich als Schnösel, der allen hilft. (lacht) Wenn etwas zurück kam oder kommt von Mitschülern oder Lehrern freute es mich umso mehr… Aber besonders nach der Schule, also in meinem privaten Leben wurde ich von Menschen enttäuscht, oder es wurde mir klar, dass sie mich enttäuschten. Ich war wohl zu ignorant, um das zu merken.
Melly: Von welchen Menschen? Was hat dich enttäuscht?
Henne: Ach, das waren viele. Das fängt bei unseren besten Freunden an. Nein, es muss lauten, es fängt bei meinen gewesenen besten Freunden an, ich nehme dich da natürlich immer aus, du bist immer meine beste Freundin, du bist anders. Nein, es fängt bei meinen Eltern an. Die mir sehr wehgetan haben in den letzten Monaten. Aber da wird es schon besser, das fühle ich. Die Freunde sind weg. Das habe ich verstanden. Dann sind da neue Freunde, von denen ich dachte, sie wären anders, aber am Ende sind sie genauso wie andere auch. Meine „alten“ besten Freunde waren oberflächlich… (denkt nach) Ich war ja auch immer oberflächlich, das hat sich geändert, da bin ich anders heute – … noch. Ich dachte, Menschen kennen gelernt zu haben, die auch anders sind. Aber… Egal! Meine besten Freunde haben mich verlassen, als es mir am schlechtesten ging. Ich nehme es ihnen aber weniger übel. Versteh es sogar. Ich meine, man kann es nicht erwarten, dass sich die Welt um Henne dreht, auch wenn es „(NYC-)Hennes-Welt“ heißt. Sie haben ein anderes Leben. (schaut betrübt)
Mir ist das klar!
Melly: Neue Freunde haben dich auch enttäuscht? Warum?
Henne: Ich weiß nicht, vielleicht tue ich ihnen Unrecht. Ich möchte dazu nichts sagen. Das muss sich zeigen, aber einige scheinen. Nein, ich lasse es.
(Ich sehe zum ersten Mal eine kleine Träne in Hennes Augen, er verlässt für einige Minuten den Raum.)
Henne: Entschuldigung, ich musste nur auf Toilette.
Melly: Aufhören? Soll ich das vernichten?
Henne: Nein, lass mal. Gucken wir am Ende, was raus kommt. Wo waren wir? Ach ja, über Enttäuschungen sprachen wir. Ich denke, ich tue ihm Unrecht. Ich glaube, es liegt an mir, dass es zurzeit so ist, wie es ist. Dass ich mir verlassen vorkomme. Es gibt ja auch Menschen, die bei mir stehen, deren Hilfe ich vielleicht sogar ablehne, weil ich mich zu sehr auf eine Person konzentrierte. Das meine ich, bezogen auf die Person, zu der Person nicht negativ.
Melly: Willst du vielleicht auch niemanden an dich lassen, weil du fürchtest, sie zu verlieren?
Henne: Ja, das kann sein. Mein „Engel“ sagte das einmal zu mir. Hm komisch, er sagte, ihn verliere ich… nie… (dreht sich weg) Sorry, meine… Ich bin gleich wieder da.
(Henne verlässt den Raum erneut)
Henne: Okay, bin wieder da.
Henne lässt mich nicht zu Wort kommen und führt fort: Nach meinen Eltern, besten alten Freunden kann ich einfach nur schwer Vertrauen aufbauen. Ich bemerke an mir, dass ich merke, dass ich bei jeder Kleinigkeit Angst habe, gewisse Menschen zu verlieren. Obwohl, meine Angst scheint nicht immer falsch zu sein. Sie bestätigte sich ja auch.

Ich bin ein Träumer

Melly: Was ist mit den Menschen, die, wie du sagtest: „Bei dir stehen“?
Henne: Na ja, ich kann sie unmöglich an mich lassen. Das tut mir leid für sie, aber ich will niemanden mehr belasten und schon gar keine Enttäuschungen mehr.
Melly: Okay, anderes Thema?
Henne: Nein, ich wollte das noch ausführen.
Melly: Willst du wirklich?
Henne: Ja, will ich. Ich möchte noch sagen, dass ich wohl zurzeit bei vielen eine ablehnende Haltung einnehme, zumindest denke ich, dass einige es annehmen. Ich möchte noch einmal sagen, das ist nicht so. Es ist aber nicht möglich, sie ran zu lassen. Mir fällt es schwer. Mir fiel es immer schwer andere an mich zu lassen. Der erste, der es schaffte, der scheint… Nein, egal… (guckt erneut nach unten)
Melly: Der scheint was?
Henne: Hm, (macht eine Pause) Weg zu sein. Weg für immer.

Würde ich gerne für drei Menschen da sein

Melly: Du meinst also deinen so genannten Engel?
Henne: Ja.
Melly: Aber wenn der einfach weg ist, dann war er kein Engel!
Henne: Ich weiß, umso mehr tut es mir weh. Ich sagte ja schon, ich bin immer ein Optimist, nein, ich bin ein Träumer, ich träume, dass er wieder da sein wird, dass das alles nur ein Irrtum war, … alles eine Überinterpretation… Er bleibt immer mein Engel… Ich habe… Ich reagiere oft über… (sieht aus dem Fenster) Ich stand, bevor wir nach „Moritz“ gefahren sind, oft abends an meinem Fenster im Studio oben (Anmerkung: so nennt Henne einen Raum bei sich im Haus unter dem Dach, dass wirklich zugeschnitten ist, wie ein großes Studio) und guckte aus dem Fenster auf die Ostsee, den Hafen oder Leuchtturm. Ich habe dann zu Gott gebetet, oder zu dem Wesen, das mich bisher zu beschützen schien, gesprochen. Bat ihn, mir zu helfen. Seit ich meinen Engel kenne, tat ich das oft. Das schien zu helfen. Ich bat ihn einst, er möchte helfen, dass es meinem Engel besser geht. Ich weiß und bin soweit auf dem Boden der Tatsachen, dass ich weiß, dass dies andere Umstände waren, die ihm halfen, aber trotzdem. Hier habe ich auch in den Himmel geschaut. Letzte Nacht hatten wir einen sternenklaren Himmel. (sieht wieder aus dem Fenster und sieht nachdenklich aus) Ich habe wieder gebetet. Ich gebe nicht auf, auch wenn ich weiß, dass es dadurch noch mehr wehtut. Ich denke viel nach, wie es vor einem Jahr mit ihm war. Denke nach, wie wir am „telen“ (gemeint ist telefonieren) waren. Erinnere mich gerne, wie ich im Studio saß, oder in meinem Zimmer. Was wir redeten… Welche Emotionen es auslöste… Wie sehr ich an ihm hing… Als wir gelacht haben… (Henne sieht traurig aus) Ich erinnere mich an sein Ferienhaus, habe den Holzgeruch des Bodes in meiner Nase. Denke an sein Zimmer. Sehe ihn da sitzen. (Henne schluckt und sie ist wieder da, die Träne) Ich träume, er kommt zurück… Träume, es wird alles gut. Ich habe es ihm nie gesagt, aber ich hatte mich in ihn… Nein, egal…
Melly: Du sagst, du betest zu Gott, oder zu etwas, dass dich zu beschützen scheint. Du bist also gläubig. Wie stellst du dir das vor?
Henne: Ja, ich glaube an Jesus Christus und an Gott. Bin aber kein Fanatiker, bin nur selten in der Kirche, aber das habe ich auch schon auf der Seite erklärt. (Anmerkung: unter „Hendriks Hoffnung und Glaube“ zu finden) Ich glaube auch, dass es etwas geben muss, dass jeden einzelnen Menschen beschützt. Es war mal anders in meinem Leben, aber mir ist aufgefallen, wenn ich zu Gott bete, dann geschieht oft das, was ich mir wünschte. Wenn ich völlig verzweifelt bin, kann ich mich an ihn wenden, oder eben an dieses Wesen, das für ihn bei mir ist. Ich weiß, dass es oft danach besser wurde. Mir ist klar, dass mir einige da draußen nun einen Vogel zeigen, aber das ist okay, dann habe ich halt einen Vogel mehr. (lacht) Ich muss mich nicht für meinen Glauben entschuldigen. Mir gibt er eben was und er hilft. Mir ist es egal, was andere denken. Ich zwinge ihnen ja auch nicht meinen Glauben auf. Einige würden das, was nach dem Beten geschehen ist, weltlich erklären, aber vielleicht gibt es diese weltliche Erklärung doch nicht. Ich glaube auch daran, dass ich eines Tages, wenn ich tot bin, vielleicht selber ein Wesen sein darf, dass anderen Menschen hilft. Dann würde ich gerne für drei Menschen da sein, wenn es geht. Ich hoffe, Gott ermöglicht es mir.
Melly: Für welche Menschen?
Henne: Auf jeden Fall würde ich bei meinem Bruder bleiben. Ich habe immer auf ihn aufgepasst, wer würde das denn sonst machen, wenn ich nicht mehr da bin.
Unsere Eltern sind zu sehr mit sich beschäftigt, auch wenn sich das vielleicht bessert. Wenn ich nicht mehr als Mensch da bin, möchte ich zumindest in dieser anderen Form, die ich nicht definieren kann, da sein. Der andere Mensch ist mein Engel. Es klingt komisch, aber trotz allem möchte ich auf ihn aufpassen. In seiner Nähe sein, wenn Gefahr ist, oder wenn er Hilfe braucht. Wenn ich daran denke, was er mir einst anvertraute, dann möchte ich einfach aufpassen, dass es nie passiert. Ich denke, er ist ein so guter Mensch, dass er einen Schutz verdient hat. Dass es so ist, wie es jetzt ist, liegt vermutlich einfach an mir, also möchte ich zumindest für seinen Schutz dann da sein. Na ja, die dritte Person bist ganz klar du. (lächelt) Du bist da und das seit Jahren, du nimmst mich, wie ich bin. Na, da muss ich einfach bei dir bleiben, dir helfen… und es interessiert mich, wie du dich entwickelst. Du bist doch meine kleine Melly.

Ihr seid die drei Personen, die mir wichtiger sind als alle anderen

Melly: Das kannst du auch so, du wirst noch lange da sein.
Henne: (seufzt) Wenn du das sagst. Ich weiß es nicht. Vielleicht kommt alles anders, als man glaubt. Auf jeden Fall kann ich euch drei sagen, dass ich immer versuche, bei euch zu sein. Ihr seid die drei Personen, die mir wichtiger sind als alle anderen.
Melly: Du schreibst in deinem Blick auf den Januar 2006, dass du dich mit deinen Eltern wieder besser verstehst. Wie ist es aktuell?
Henne: Es ist wirklich besser geworden. Also wir haben zwar noch immer Tage, an denen wir unsere Probleme haben, aber im „Ganzen“ ist das Verhältnis besser geworden.
Wenn es Streit gibt, liegt es einfach daran, dass es Situationen oder Verhaltensmuster an ihnen gibt, die ich einfach nicht leiden kann. Hm, na ja, und ich kann auch ’ne ziemliche männliche Zicke sein. Es gibt Momente, da sollte man einfach einen Bogen um mich machen. Ich mag es zum Beispiel nicht, mit meinen Eltern über negative Gefühle zu sprechen, weil ich in der Vergangenheit oft das Gefühl hatte, sie machen mich dann für diese verantwortlich. Nein, vielleicht tue ich ihnen gerade wieder Unrecht. Ich sage es anders. Ich habe das Gefühl, dass man einfach keine Probleme zeigen sollte, sie für sich ausmachen sollte, das ist das Gefühl, was ich lernte.
Ansonsten hat sich das Verhältnis aber tatsächlich gebessert. Es ist wieder möglich, auch einmal Späße zu machen. Das hilft mir, wenn es mir besonders schlecht geht, dass ich einfach anfangen kann, meine „Comedy- Nummern“ durchzuziehen. Dann lachen zumindest andere.
Melly: Aber macht man nicht Witze, wenn es einem gut geht?
Henne: Nein, das denke ich nicht. Irgendwann soll einmal ein Comedian gesagt haben, dass in vielen von ihnen traurige, depressive Menschen stecken. Ich kann dem nur zustimmen. Comedy ist eine gute Möglichkeit seine Gefühle zu verstecken. Für mich ist es eine Maske, die ich trage. Die Menschen sind heute aber so „kaputt“, dass sie sich keine Mühe mehr machen hinter die Masken zu sehen, wenn sie es jemals taten.
Ich habe einmal in einem Buch ein Gedicht gefunden, das wie folgt ging. Moment, ich glaube, ich habe es auf meinem Notebook. (Henne öffnet sein Notebook) Ja, genau. Ich hatte es mir mal abgeschrieben. Warum auch immer. Ich finde, es passt auf meine Situation ganz gut, oder beschreibt auch mich etwas.

Der Clown, von Yasmin*1

Sieh mich an,
in bin ein Clown
und zeig bunt bemalt Gesicht.
Wenn ich lache,
hat mein Ohrenpaar Besuch.
Sieh mich an,
ich bin nicht Mensch wie du,
und bin kein Tier,
denn was ich
sein soll,
ist nicht,
was ich bin,
und was ich bin,
das kann ich
niemals,
werd ich
niemals sein.
Doch ob ich scherze oder weine –
bleibt im Endeffekt egal.
Was ich tue,
wann
und wie,
ist für Publikumskaprice
Grund zum Lachen, Clownerie.
Gibt es
keinen,
der sich fragt,
welches Herz die Maske birgt?
Setzt denn
jeder
meine Show gleich der Person?
Sieh mich an,
ich bin ein Clown.
Doch weil mein Lachen Müde ist,
leih mir
für diese Nacht –
Oh keine Angst! Nein,
nicht dein Ohr
und nicht dein Herz,
nicht deine Zeit
und nicht dein Geld –
leih mir
nicht weiter als
dein Taschentuch.

Was dieses Gedicht bedeutet, vielmehr seine Intention bestimmen sollte jeder für sich selbst.

Melly: Du bist ein Clown?

Ich nenne mich manchmal Comedian

Henne: Jein, ich nenne mich manchmal schlechten Comedian, aber der Comedian ist der Clown von heute. Somit bin ich also ein Clown.
Da fällt mir ein, meine Lehrer nennen mich Clown. (lächelt) Wenn ich aufdrehe, dann kommt der Comedian raus. Einige wenige kennen mich aber auch ernst, wobei das für mich die schlimmste meiner Masken ist.
Die ernste Maske ist nicht mit dem wahren Gesicht des traurigen, des verletzten Hendriks gleichzusetzen. Ernst heißt einfach, dass ich dann nicht lache oder nicht meine Comedy- Acts durchziehe. Ich mache es bei Leuten, bei denen ich denke, die würden mich dann gar nicht mehr verstehen.
Zu einem guten Gag gehören auch Personen, die diese zu deuten zu wissen. Damit meine ich, die, wenn sie schon nicht hinter meine Maske blicken, zumindest lachen können.
Es kann sein, dass ich meine ernste Maske aufsetze, wenn ich denke, die Person ist mir intellektuell unterlegen, oder aber sie könnte auf Grund ihre Intellekts nicht über meine Witze lachen.
Zum Beispiel vor einem Professor würde ich nie eine Comedy- Show „durchziehen“, wenn ich wüsste, dass diese einen ganz anderen Witzverstand haben, als ich. Das ist in der Schule anders, da bringe ich die Lehrer mit meinen Albernheiten zum Wahnsinn, aber man muss sich auch anpassen. Ich bin dann lieber ernst.
Und dass ich ernst zu Leuten bin, bei denen ich denke, dass sie mir intellektuell unterlegen sind, muss man wohl nicht ausführen. Ich muss vielleicht dazu sagen, dass ich diese ab und zu auch mit bösem Sarkasmus überziehe. Okay, das ist erstens nicht okay und zweitens verstehen sie diesen auch wieder nicht, aber manchmal kann ich nicht anders.
Hm, mir fallen dazu noch zwei Sachen ein.
Sarkasmus bekommen von mir eigentlich alle Gruppen ab. (Henne guckt nach oben)
Mir fällt auch eine dritte und vierte Gruppe ein, bei denen ich ernster bin, als ich eigentlich bin, also meine Maske aufsetze. Das sind zum einen Menschen, die ich noch nicht ganz einschätzen kann, aber an denen mir sehr viel liegt, als dass ich sie durch blöde Witze verlieren möchte.
Als vierte Gruppe ist dann noch die zu nennen, bei denen ich weiß, sie mögen keine Witze, bei denen mache ich das auch nicht.
Ich gelte in den Fällen lieber als zu ernst, als dass ich mein wahres „ich“ zeige oder gar meine Comedy- Maske aufsetze.
Melly: Du setzt gerne Masken auf?
Henne: Genau, man kann sich so wunderbar dahinter verstecken. Man zeigt nicht gleich sich selbst, vor allem nicht, wenn man gerade verletzt oder verletzlich ist. Kein Mensch will sich mit einem verletzten Menschen abgeben, dazu ist man heute zu oberflächlich, oder vielleicht hat man auch zu viele eigene Sorgen, um das zu wollen. Ich meine hiermit nicht „physisch“ verletzte Menschen, das kann man, wenn es nicht gerade eine innerliche Verletzung ist, von außen sehen, ich meine Menschen, die vielleicht in der Seele eine Verletzung erlitten haben.
Außerdem ist es nicht schön, wenn andere lachen?

Du hast auf dieser Welt verloren, wenn du das nach außen transportierst

Melly: Ist es nicht unehrlich gegenüber anderen, sich hinter Masken zu verstecken?
Henne: Nein, ich denke, in diesem Fall nicht. Ich sagte bereits, ich denke eben, dass Menschen gar nicht das „Wahre- Ich“ sehen wollen. Heute muss man perfekt sein, ist man es nicht, fällt man raus. Man ist schon nicht mehr perfekt, wenn man zeigt, dass man verletzlich ist, oder gar sensibel. Du hast auf dieser Welt verloren, wenn du das nach außen transportierst. Ich sehe es ja, kaum habe ich mich mal gegenüber jemanden geöffnet, bekomme ich, wenn es dem besser geht, wieder das zurück, was man nun mal erhält, Unverständnis. Das multipliziert sich besonders, wenn du eben nicht aussiehst, wie, keine Ahnung, wie ein Topmodell.
Noch mal, das ist kein Beschweren, ich bin selber schuld, da kann und darf ich mich nicht beschweren. Ich hätte es wissen müssen und mich so verhalten, wie ich es immer tat und wieder tue.
Menschen sind und bleiben oberflächliche Wesen, die wenigen, die es nicht sind, findest du kaum und „gehen“ zu meist unter. Also folglich begebe ich mich wieder unter die Oberflächlichkeit und versuche einfach alles belastende Zeugs abzuwerfen und wenn das nicht mehr (Henne macht eine Pause, er schluckt) geht, dann (wieder eine kurze Pause) kenne ich Auswege. Es gibt einfach einen Ort, an dem das hoffentlich egal ist. Aber das soll jetzt egal sein.

Ich bekomme das „Kotzen“, wenn ich daran denke, dass hässliche Menschen von sich sagen, sie sehen gut aus

Melly: Du sprichst vom Aussehen eines Topmodells. In privaten Gesprächen hast du ähnliches oft schon ausgedrückt. Ich glaube, du möchtest damit sagen, dass du dich für hässlich hältst, oder?
Henne: Ja, genau. Ich meine, ich weiß genau, dass ich einfach nicht so „tolle“ aussehe. Ich bin zurzeit einfach ziemlich fertig. Ich würde mir nie einbilden, dass ich gut aussehe, bin maximaler Durchschnitt. Ich fühle mich zurzeit eher unterer Durchschnitt.
Ich bekomme das „Kotzen“, wenn ich daran denke, dass hässliche Menschen von sich sagen, sie sehen gut aus. Haben die denn keinen Spiegel? Ich würde diesen Menschen am liebsten ganz oft ins Gesicht sagen, wie scheiße sie aussehen, aber meine Höflichkeit lässt es nicht zu. Darum würde ich auch nie von mir sagen, dass ich gut aussehe. Kein anderer soll mir das ins Gesicht sagen müssen. Das täte ja noch mehr weh.
Melly: Du weißt, wie ich darüber denke?! Du siehst gut aus, wenn du endlich deine Stärken erkennst, vielmehr zurückfindest.
Henne: Hm Melly, soll ich dir meine Kontaktlinsen leihen? (grinst) Du scheinst schlecht zu sehen! Meine Stärken? Hm, Comedy machen – LOL – und Menschen platt reden, wenn das schön macht?
Melly: Henne, mach’ dich nicht so fertig! Du kannst gut aussehen, sogar sehr gut und sehr süß.
Henne: Wenn du meinst.
Melly: Mein ich! Weißt du, dass du seit Beginn des Interviews ständig was anderes in der Hand hast, mit dem du spielst?
Henne: Ja, ich sagte ja, ich bin leicht zu aktiv, obwohl ich sonst ja eher passiv bin. (lacht)
Melly: Och, Henne.
Henne: Was’n?

Das „witzige“ daran ist, dass Phillip und ich aber leibliche Brüder sind

Melly: Nee, ist schon gut. – Wie wir wissen, bist du und oder sind du und dein Bruder adoptiert. Seit kurzem kannst du damit ja auch ganz offen umgehen. Du schreibst auf der Seite, aber hast es oft auch in privaten Gesprächen erwähnt, dass du damit ein Problem hast und dies vor allem die Probleme zwischen dir und deinen Eltern zusätzlich verstärkt habe. Wie sieht die Situation jetzt aus?
Henne: Ich hoffe, du hast es nicht vor mir gewusst, dann müsste ich dich jetzt ’ne Piste runter werfen. (lacht) Nein, im Ernst. Es ist eine komische Situation, die ich so ganz auch heute noch nicht verstehe. Wenn mich einer danach fragt, biete ich oft an, eine Zeichnung zu machen. Es ist eigentlich ganz witzig, bei uns ist alles etwas komplizierter, – LOL – so auch dieses. Ich finde, damit man einen kleinen Überblick hat, erkläre ich es einmal.
Wo fange ich an?
Melly: Am Anfang?
Henne (lacht): Hm, das war mir klar. Okay, also am Anfang war die Erde wüst und leer…
Melly: Henne?
Henne: Was’n?
Melly: Du nimmst es wieder nicht ernst.
Henne: Doch! (grinst) Gut, dann fange ich anders an.
Also mein Bruder und ich sind, das hast du ja schon gesagt, adoptiert. Das „witzige“ daran ist eigentlich nur, dass Phillip und ich aber leibliche Brüder sind, also die gleiche genetische Erzeugerin und auch Erzeuger haben.
Ich weiß nicht, ob das auch so in Deutschland möglich wäre, in den USA geht das aber.
Meine Eltern entschieden sich 1989, oder wahrscheinlich schon viel früher, ein Kind zu bekommen.
– Ich muss kurz einschieben, dass meine Eltern mir dazu leider nicht viel sagen und vieles von mir nur Mutmaßungen sein können.
Was ich weiß, weiß ich zum Teil nur, weil ich es aus offiziellen Unterlagen weiß, dazu werde ich aber noch was sagen. –
Ich denke, dass einer von beiden keine eigenen Kinder bekommen kann, somit entschieden sie sich wohl ein Kind zu adoptieren. Ich weiß aus Erzählungen, bzw. Gesprächen meiner Eltern, dass sie vor mir meinen nun verstorbenen Cousin adoptieren wollten. Sie meinten wohl, er habe es nicht so gut bei seinen Eltern, wie er es bei ihnen haben könnte. Die Familieangehörigen meines Cousins gelten als die schwarzen Schafe unseres Clans, weil sie sich eben nicht einfach so den Regeln und Geflogenheiten der Familie anpassen wollten. Vermutlich hätte er es auch ganz gut bei uns gehabt. Er war ja später so etwas wie mein großer Bruder. Na ja, meine Tante hat aber in letzter Sekunde – die „Papiere und Dokumente“ waren wohl schon unterschriftsfertig – diese Adoption abgelehnt. Meine Eltern haben ihren Wunsch aber nie aufgegeben.
Sie haben dann wohl zwischen 1987 und 1988 eine Frau gefunden, die dazu bereit war, ihr Kind nach der Geburt an sie „abzugeben“. Es klingt jetzt sehr „lax“, aber ich weiß auch nicht viel davon, kann es mir nur denken. In den USA ist dieses Verhalten auch mit gewisser Bürokratie, die aber einfacher ist als in Deutschland, legal. Dieses Kind, was die Frau „abgab“ an meine Eltern, war Phill. Kurz nach Phillips Geburt, die meine Eltern wohl schon für die Frau durchgeplant haben, ist er dann auch zu Mom und Dad gekommen. Ich denke, wenn ich die Dokumente richtig gelesen habe, ist er, wie ich gleich nach der Geburt unter die Obhut meiner Eltern gekommen. Meine ersten Erinnerungen sind somit auch bei meinen Eltern.
Kurz nach seiner Geburt wollten meine Eltern dann noch einen Bruder für ihn, oder zumindest ein Geschwisterteil. Für sie bot sich wohl wieder diese Frau an, die schon Phillip austrug. Ich denke, meinen Eltern war es sehr wichtig, dass wir genetische Brüder sind, so dass sie diese Frau und diesen Mann wieder wählten. Im März 1990 kam dann ich als Frühchen auf die Welt.
Melly: Und du hast also nicht gemerkt, dass deine Mutter nicht deine Mutter war?
Henne: Genau. Ich weiß heute auch nicht mehr, warum es mir nicht aufgefallen ist. Sogar unsere Nachbarn, unsere Glaubensgemeinschaft bzw. Gemeinde, die eine große Bedeutung für unsere Familie in den USA hat, haben nicht bemerkt, dass sie keine eigenen Kinder bekommt. (Henne macht eine Pause) Ich glaube, es wäre in unserer Glaubensgemeinschaft damals nur mit einem „Nasenrümpfen“ akzeptiert worden, wenn man es denn akzeptiert hätte.
Wir sind nach meiner Geburt dann auch aus New York, NY weggezogen. Wir zogen nach Detroit, Mi.
Sind da aber nicht mal ein Jahr geblieben, im August 1991 ging es dann ja nach Deutschland. Ich weiß nicht, ob es etwas mit der zweiten Adoption und unserer Glaubengemeinschaft „zu tun“ hatte, aber ich könnte es mir vorstellen. Wobei der zweite Umzug, oder es ist ja eigentlich ein Auswandern nach „Good old Germany“, wohl eher damit zusammenhing, dass Daddy in Deutschland einen guten Posten an einer Klinik bekam, der ihm mehr Geld, aber auch Verantwortung versprach, als in den USA.

Da ist noch sehr viel unausgesprochenes, aber ich akzeptiere die Adoption

Melly: Du redest ja heute ziemlich „locker“ darüber. Ich weiß, dass es einst anders war. Wie war es, als du entdeckt hast, dass ihr adoptiert seid?

Henne: Na ja, was soll ich machen? „Locker“ nehme ich es noch immer nicht. Da ist noch sehr viel unausgesprochenes, aber ich akzeptiere die Adoption und es gehört zu meiner Vita, warum sollte man die verschweigen. Pff, ich denke gar nicht dran. (Henne lächelt)
Aber ich möchte zu deiner Frage kommen, wie es war.
Hm, es war sehr eigenartig. Es ist noch wie ein Film in mir.
Stell dir vor August 2004, in unserem Haus auf Fehmarn. – LOL das klingt wie Sofia aus „Golden Girls“ – Ich brauchte für irgendwas Unterlagen. Diese befanden sich in unserem Safe. Normalerweise gehe ich an diesen nicht, aber ich wollte Zeit sparen und Daddy nicht lange bitten, diese Unterlagen daraus zu holen, wenn er wieder zu hause ist, und dann bin ich an den Safe. – Was die Sache verkompliziert – da sind ist wieder die Zeichnungen – (Henne grinst) ist, dass in unseren Geburtsurkunden, wie auch immer das ging die Namen meiner Eltern. – Ich bin an diesen Safe und leider bin ich auch ein ziemlich neugieriges „Kind“, wenn ich was sehe, muss ich erforschen, was es ist. So fand ich einen „komischen“ Umschlag in dem Safe, in dem sich ein Ordner befand. Man konnte leicht erkennen, dass dieser noch aus den USA stammt. Zu der Zeit hatte ich noch meine „Patriotenstimmung“, na ja, ich wollte alles wissen, was zu hause geschah, wie es dort war, aus diesem Grund öffnete ich diesen Umschlag, der nicht verklebt oder versiegelt war oder so.
Mein Dad hatte die Namen von Phill und mir auf diesen Ordner geschrieben, somit begann ich aus Neugierde in dem Ordner zu blättern. Was ich fand, würde ich heute am liebsten vergessen.
Es waren Kontrakte, die bei genauem Lesen erwiesen, dass Phill und ich adoptiert waren. – Wie du weißt, habe ich zu der Zeit schon meine Panikattacken gehabt. – In diesem Augenblick kam dieses Panikgefühl verstärkt hoch, mit einem Gefühl von ungeheurer Wut auf meine Eltern, auf alle in meiner Familie, fast, Phill muss ich ausnehmen. Ich hatte Panik, dass mein Leben in diesem Augenblick verloren war. Man muss sich es so vorstellen, dass in diesen Augenblicken des Lesens alles um mich zerbrach. Meine ganze Vita schien zerstört. Ich weinte, aber nicht aus Trauer, sondern aus Wut. Ich konnte nicht ablassen vom Lesen und las alles, was ich fand. – Man muss sagen, wenn mich etwas ärgert, muss ich das auch gleich loswerden, sonst würde es mich wohl auffressen.
– Das war in diesem Fall auch so, aber ich machte einen Fehler. Ich bereue es heute stark. Mom und Dad waren noch nicht zu hause. Phillip war da. Ich rief ihn in das Zimmer mit dem Safe und sagte voller Wut und mittlerweile auch Hass auf Mom und Dad, von der Adoption.
Ich sagte, ich schrie wohl eher, dass wir adoptiert seien. Phillip nahm das viel cooler als ich. Er war sicher entsetzt, aber seine ersten Worte waren: „Ja, und? Uns geht’s gut. Wir reden heute Abend mit Mutti und Paps. Das ist alles anders, als es aussieht.“ – Phillip ist soviel cooler als ich. Ich bin der Hysteriker in der Familie. LOL – Mit einem Blick zurück hätte ich an seiner Psyche sehr viel Schaden anrichten können, vielleicht habe ich das auch, und er sagt nichts dazu. Ich könnte mir das nicht verzeihen. Ich sage ja, es war falsch.
Aus den Unterlagen ging eben die Adoption hervor, aber auch, dass Phill und ich genetische und richtige Brüder waren. Dieser Punkt hat mich mit Phill noch etwas mehr zusammen wachsen lassen. Es ist für die Monate danach, aber auch heute noch sehr bestimmend.
Mom kam an diesem Abend als erste nach hause. Ich saß unten im Wohnzimmer und wartete nur auf einen von meinen Eltern.
Ich schrie sie an, dass sie nicht meine Mutter sei. Was das solle. Warum sie das gemacht hätten? Mom guckte mich an. Sie guckte verstört, ich hatte ihre, nein, die Lebenslüge, die sie uns vorspielten, aufgedeckt. Meine Mom schrie zurück, was mir eingefallen sei, in dem Safe zu schnüffeln.
– Wäre jemand von außen dabei gewesen, es muss ein Bild für eine Comedy- Serie gewesen sein. Mom redete in Englisch und ich erwiderte alles in Deutsch. –
Was ich mich aufregen würde, ich würde alles nur falsch verstehen, wir wären ihre Kinder.
Trotz dieser Beweise widersprach sie den Adoptionen. Ich war so wütend auf sie. Als Dad kam, der wohl schon von Mom gewarnt war, machte ich ihm die gleichen Vorwürfe.
– Es war wieder, dass ich deutsch sprach und er englisch. Ich habe mit Absicht deutsch gewählt, denn eigentlich werden Diskussionen bei uns immer in Englisch gehalten. Dad forderte mich auch mehrmals auf, englisch zu sprechen. –
Dad sagte zu mir im Laufe des Gespräches, dass ich dann unser Haus verlassen solle, wenn ich so denke.
In seinen Augen spiegelte sich ebenso Wut darüber, dass ich dieses Geheimnis herausfand. Ich habe meinen Dad selten so böse gesehen, meine Mom auch nicht. Ich hatte bis zu diesem Tag immer ein gutes Verhältnis zu ihnen, besonders zu Dad.
Wir warfen uns noch einiges vor, nein, ich tat es wohl.
Ich bin an diesem Abend nicht aus dem Haus gegangen, aber dieser Abend hat vieles bestimmt, was folgte.
Ich bin danach ins Studio gegangen, habe auf meine Freundin, mit der ich damals noch zusammen war, gewartet.
Ich saß am Fenster und hatte nur noch einen Plan, raus und weg von meinen Eltern.
Von diesem Moment an waren sie für mich nicht mehr meine Eltern.
Ich überlegte, wie ich Phillip mitnehmen hätte können, denn für mich war es ab da an so, dass Mom und Dad nichts mehr mit Phillip zu tun haben sollten, schließlich waren sie nicht unsere Eltern. Ich sage ja, es war einfach „Hass“, Wut, Unverständnis in mir, dass sie es uns nie sagten.
Meine Freundin hatte damals gar kein Verständnis, dass ich so reagierte. Sie machte mir ziemlich deutlich, dass sie nichts davon hielt. Sie stand zu meinen Eltern. Das war, denke ich auch, ein weiterer Grund, mich später von ihr zu trennen. Abgesehen davon, dass ich wusste schwul zu sein, aber es wäre mir wohl sonst schwerer gefallen.

Ich fühle mich, wie ein gekaufter, kleiner Hund

Ein weiteres Gefühl stellte sich bei mir an, nämlich das, dass ich mir vorkomme, wie ein gekaufter kleiner Hund: Wie unser Hund.
Man kauft ihn sich, um eine Freude zu haben, um ihn so zu erziehen, wie man es haben will. Ihn Männchen machen zu lassen, ihn zu dressieren, wie man es will. Es herrschte nun mehr und mehr Eiszeit zwischen uns.
Ich habe noch einmal versucht mit Dad darüber zu reden, aber er sagte mir, dass es ihn nicht interessiere, dass sie uns adoptiert hätten.
Mom und auch Dad weigerten sich, mir mehr über die Adoption zu sagen, da sie für sie einfach nicht wichtig war. Ich gebe zu, das verstehe ich auch heute noch nicht.

Melly: Hat sich das denn heute geändert? Reden deine Eltern heute darüber?
Henne: Nein, ich sagte ja, ich vermute vieles. Ich habe auch beschlossen, sie als erstes reden zu lassen. Es würde mir nur noch mehr wehtun, wenn ich Fragen stellen würde und keine Antworten erhalte.
Sie müssen reden wollen. Ich arrangiere mich jetzt mit der Situation.
Mir ist es wichtiger, dass ich wieder ein Verhältnis zu ihnen aufbauen kann, in dessen Verlaufe ich wieder mit ihnen reden kann.
Auch wenn wir nicht über die Adoption reden, so reden wir heute wieder über andere Dinge.

Ich hoffe, als Engel wieder zu kommen

Melly: Die da wären?
Henne: Mein Schwuppendasein zum Beispiel. Es ist komisch, seitdem Neujahr und dieser Folge von „Queer as Folks“ fangen wir wieder an darüber zu reden. Meine Eltern zeigen daran Interesse, was ich mache, wie ich lebe.
Melly: Sprichst du in diesem Zusammenhang auch über deine Gefühle, deine Ängste und deine Trauer?
Henne: Nein, ich sagte ja, das ist nichts, über das ich mit ihnen bereden möchte, bereden kann.
Na ja, ich sagte ihnen mal beiläufig, dass ich mal wieder an ein Finale dachte.
Vorkurzem las ich dann in Büchern über den Suizid von Jugendlichen, die habe ich noch von einem Religions-Referat aus der 9. Klasse. Ich las einfach so darin und hörte dazu meine „Depri- Musik“, (Anmerkung: so nennt sein Bruder Hennes-Musik-Stil, wir würden es wohl Emo-Musik nennen, heute wissen wir dass es einfach Hennes-Lebensstil ist) die ja auch, du kennst sie, manchmal hier und da vom Freitod handeln, aber alles ohne Hintergedanken. Oder doch, aber die Gedanken waren andere. Ich suchte vielleicht Hoffnungen darin. Meine Mom sah dies. Sie sagte nichts, aber ich glaube, ich sah Angst in ihr, ich könnte wieder an mein Finale denken.
Melly: Henne, sei mal ehrlich, denkst du an einen Suizid zurzeit?
Henne: Hm, ich weiß es nicht. Ich bin zu feige dazu und habe wohl auch Angst vor dem danach. Ich hoffe, als Engel wieder zu kommen, aber wer sagt, dass es so ist? Vielleicht ist danach wirklich alles zu ende? Ich habe Angst vor dem Tod. Mein Glaube ist da auch nicht eindeutig, es gibt Positionen, die sagen, man würde danach nicht in den Himmel kommen.

Jeder der sagt, es kann nur einen Glauben geben, der irrt und legt seinen Glauben falsch aus

Melly: In diesem Zusammenhang und allgemein, du sprichst immer von einer Glaubengemeinschaft. Welche Art ist das und viele werden jetzt vielleicht an eine Sekte denken, so wie du darüber schreibst.
Henne: (lacht) Ja, so denken viele. Unsere Glaubensgemeinschaft ist in dem Sinne eine „Lutherahnische Gemeinschaft“, also wir sind Protestanten.
In Deutschland würde es dazu aber keine adäquate geben. Sie ist auch sehr klein, so dass sie hier gar nicht bekannt sein wird. Meine Eltern haben mich, genauso wie Phillip auch nicht nach der Geburt taufen lassen, das war eine freiwillige Entscheidung, die sowohl Phill als auch ich erst zur Konfirmation entschieden. Dadurch sind Phill und ich eigentlich im engeren Sinne gar keine Mitglieder der Gemeinschaft in den USA, denn wir sind getauft und konfirmiert in einer „evangelisch, nordelbischen Kirchengemeinde“, das ist wohl in Schleswig-Holstein die größte protestantische, lutherahnische Glaubensgemeinschaft. Die protestantischen Kirchengemeinden sind zur Mehrheit „nordelbische“ in den weltlichen Gemeinden in Schleswig-Holstein.
In den USA werden Phill und ich aber von unserer Glaubensgemeinschaft dort als volle Mitglieder akzeptiert. Wir müssen uns auch nicht „umtaufen“ lassen oder konvertieren.
Na ja, vielleicht müssten wir konvertieren, wenn wir in den USA leben würden, das weiß ich nicht. So werden wir aber akzeptiert.
Die Gemeinschaft in den USA ist also keine Sekte, keiner muss dort sein Leben aufgeben; sein Geld geben; besondere Kurse besuchen, um zu Gott zu kommen, die kann man freiwillig besuchen; es gibt auch keinen Missionierungszwang, das heißt dort muss keiner einmal die Woche von Haus zu Haus laufen, klingeln und über den „Glauben“ reden, um in der Gemeinde zu bleiben. Alles geschieht freiwillig, auch die geldliche Unterstützung für die Gemeinde dort ist freiwillig. Was dort vielleicht Pflicht ist, aber ich denke, das ist auch keine eigentliche Pflicht, ist der wöchentliche Besuch eines „Gottesdienstes“. Dieser Besuch hat auch viel mit einer Kommunikation unter den Mitgliedern zu tun. Man trifft sich und redet in der Regel nach den Gottesdiensten noch einmal über alles und jedes. In der Woche hat man kaum Zeit dazu. Es ist also so ein gesellschaftliches Treffen. In den Gottesdiensten werden auch Probleme der Gemeinschaft angesprochen und wenn es von Nöten ist, wird gemeinschaftlich Geholfen.
Die Gemeinschaft ist eine sehr moderne, wie ich sie empfinde, wenn ich mal dort bin. Trotzdem würde ich mich vermutlich dort weniger engagieren, als ich es hier gemacht habe für die Kirchengemeinde, in der wir lebten.
Also es muss keiner Angst haben, dass meine Seite irgendwann mal eine Seite meines Glaubens wird, oder eine Missionierungsseite.
Meine Eltern haben auch nie jemanden missioniert, das hätte nie in ihrem Interesse gelegen. Darum haben Mom und Dad uns ja auch unseren Glauben mit etwa 14 Jahren wählen lassen. Jeder muss selber zu seinem Glauben finden und ich finde es sogar gut so, dass jeder einen anderen Glauben hat. Das macht die Welt doch erst interessant. Der Glaube darf einfach nicht zu einem fanatischem werden, solange kann ich mit jedem Glauben leben. Jeder der sagt, es kann nur einen Glauben geben, der irrt und legt seinen Glauben falsch aus. Diese Menschen sagen ja auch, dass „ihr“ Gott das sagen würde. Hm, wenn es so wäre und man davon ausgehen kann, dass Gott unfehlbar ist … – na ja, dann hat Gott ja an dieser Stelle einen Fehler begangen, denn er hat dem Menschen verschiedene Glaubensrichtungen gegeben. Also muss er das doch gewollt haben und dann haben wir Menschen damit zu leben. Wir alle werden einmal in den „Himmel“ oder sagen wir in ein besseres Reich kommen nach dem Tod, ohne Ansehen der Person, seines Glaubens u.s.w., ansonsten würde sich alles widersprechen, was Gott uns lehrt. Ich spreche hier nicht allein von Gott im christlichen oder jüdischen Sinne, sondern auch von den anderen Glaubensrichtungen. Es ist doch egal, wie man Gott nennt, am Ende verbindet uns alle der Glaube an ihn und wenn man nicht glaubt… Gott ist gütig, heißt es, dann wird er das auch akzeptieren. Man sollte es also nicht fanatisch sehen. By the way, das gilt natürlich auch für Homosexualität, auch das ist Gott egal. Er hätte uns diese Ausrichtung nicht gegeben, wenn er es nicht gewollt hätte.
Genauso haben mich auch meine Eltern erzogen.
Melly: Du sagst, alles ist freiwillig, keiner wird gezwungen, deine Eltern lassen euch entscheiden.
Henne: Ja?!
Melly: Warum ist es denn so, dass deine Eltern Phill nach dem letzten Halbjahr an ein privates Internat in Österreich geschickt haben, an der er seine „Matura“ (Anmerkung: das ist das Abitur in Österreich) machen soll, das von eurer „Glaubensgemeinschaft“ unterstützt wird?
Henne: Wirst du jetzt investigativ?
Melly: Du sagst, ich darf alles fragen und das interessiert mich. Bist du Böse?
Henne: Nein, kann ich bei dir gar nicht. Ich will antworten.
Es war keine Entscheidung meiner Eltern, sie boten es Phill an und anfangs wollte er nicht und es war schon vergessen, aber dann wollte Phill dahin. Zurzeit ist es so, dass er wohl zurück will. Phill bereut die Entscheidung, weil es dort sehr viel „strenger“, geregelter zugeht, als bei uns, und es ist wohl so, dass er zurückkommen wird. Noch hat er nur wenige Wochen in der Schule zu hause verpasst. Mom und Dad sind damit einverstanden. Phill kann jederzeit wieder nach Hause kommen und es ist auch so, dass dies wohl an diesem Wochenende sein wird. Also ich werde jetzt von „Moritz“ zu dem Internat in Österreich hinfahren und mit Phill reden, will er nach Hause, nehme ich ihn mit und dann wird er wieder bei uns angemeldet. So ist es verabredet, sowohl mit der Schule, als auch mit Mom und Dad.
Melly: Warum wollte deine Eltern erst, dass er dort zur Schule geht?
Henne: Das ist eine gute Frage. Es ist einfach so, dass meine Eltern dachten, es sei zu Hause mit mir so schwierig, dass Phill nicht damit belästigt werden sollte. Er sollte nicht negativ beeinflusst werden. Sein wir ehrlich, ich war sehr schwierig in den Wochen bis Weihnachten, bin es jetzt vielleicht auch noch. Meine Eltern machten sich Sorgen um ihn. Sie wollten nichts böses, nichts Schlimmes.

Hennen rennen

Melly: Warum wollte Phill jetzt dahin, war da nicht doch…?
Henne fällt mir ins Wort: Nein, da war kein Zwang, das wolltest du doch sagen? Phill beginnt jetzt zu verstehen, was dort für ihn vor 16 Jahren passierte, was in den letzten zwei Jahren geschehen ist. Ich kenne das Gefühl. Phill wollte weg, er wollte das Gefühl nicht aufkommen lassen, das sagte er mir am Telefon.
Hennen rennen, das war doch eines deiner Zitate am Anfang.
Hennen rennen, das stimmt, sagte ich, und hätte dazufügen sollen, Hennen rennen gerne davon, wenn es Probleme gibt. Na ja, ich möchte es manchmal. Nur habe ich am Ende oft nicht den Mut gehabt. Phillip ist mein Bruder, es ist erschreckend, wie ähnlich er mir sein kann, er rannte auch davon.
Ich begrüße seinen Entschluss, dass er nach Hause kommen möchte. Wenn er wieder da ist, werde ich mich um ihn kümmern. Es soll ihm nicht so gehen, wie es mir ging. Ich denke, Mom und Dad haben auch dazu gelernt und machen es bei ihm besser.
Ich werde alles machen, dass es so sein wird.
Melly: Wir haben jetzt ein paar Tage an diesem Interview gearbeitet. Man merkt, dass einiges passiert ist, vieles sich geändert hat. Na ja, so auch eben das mit deinem Bruder, aber auch mit dem Verhältnis zu deinen Eltern.
Ich wünsche dir, dass es zwischen euch vieren alles wieder besser wird. Ich hoffe für dich und spreche sicher im Namen aller, dass es dir auch bald wieder richtig gut geht und dass du deinen Engel finden wirst. Henne ich danke dir für deine Offenheit.
Henne: Bitte schön, aber es gibt eben auch nichts zu verstecken… Mal sehen, wie es wird. Ich kenne ja Auswege. Es wird schon positiv werden.
Ich bleibe Optimist.

Eigentlich wollte ich dieses Interview mit Henne, der sich neuerdings, wie seine Familie es in den USA macht, Rick nennt, kürzen. Ich tat es nicht, ich lasse dieses Interview komplett stehen.

Das Interview entstand an vier Tagen in zwei Wochen. Ich habe ganz oft abgebrochen, oder Henne hat dies, und dann haben wir spontan wieder begonnen weiterzumachen.

Wer dieses komplette Interview gelesen hat, der wird unseren Henne nun wieder ein Stückchen mehr kennen.

Viele Grüße,

Eure

Melly

Das Interview ist an dieser Stelle noch nicht vorbei, es gibt eine Forsetzung…

Das Interview im Juli 2007

Wie wir schon am Anfang schrieben, wurde dieses Interview Anfang Februar 2006 geführt und bis her nicht auf den Seiten von NYC-Hennes-Welt veröffentlicht, nachdem noch für Hennes Leben bedeutende Geschehnisse passierten.
Einiges, was hier in dem Interview geschehen ist, muss relativiert werden, anderes erklärt genau die Geschehnisse, die so unter anderem am 02. März 2006 geschahen.

Für dieses zweite Interview haben Henne (der sich mittlerweile auch wieder Henne nennt – nicht mehr Rick) und ich uns extra ein paar Tage Zeit bei einem seiner so geliebten Segeltörns im Juli 2007 genommen. Es entstanden also zwischen Fehmarn und Dänemark. Neben mir waren auch noch Hennes Freund, sein Bruder und Freunde von Phill dabei.

Wann Henne und wie er dieses Interview auf NYC-Hennes-Welt einbindet, wird er bestimmen, da mir zurzeit noch die Zeit dazu fehlt.

Melly: Henne, nun lass uns aber anfangen. Soll ich wieder mit: „Hallo Henne“ anfangen?
Henne: Also das ist doch ein Minimum, oder willst du mich ungegrüßt lassen? (Henne lächelt)
Melly: Okay. Hallo Henne!
Henne: Hallo Redaktion! (lacht)
Melly: Henne, schon wieder? (Melly verdreht die Augen)
Henne: Ja, Melly. (steckt die Zunge etwas raus und führt weiter aus:) Hallo Melly. (lächelt)
Melly: Geht doch. Heute frage ich dich, wo wollen wir anfangen?
Henne: Am Anfang? Also am Anfang war die Erde…
(Melly unterbricht Henne)
Melly: Och, nicht schon wieder! Ich denke, du hast dich geändert?

Du siehst wieder aus, wie ein Emo!

Henne: Einiges ändert sich nie! (lächelt)
Melly: Wenn wir schon beim ändern sind. Du siehst anders aus? Was hast du gemacht?
Henne: Ich habe mir die Haare seit Januar nicht mehr schneiden lassen und ließ sie wachsen. Dann habe ich meine Haare schwarz färben lassen. Weiter?
Melly: Ja, beschreib ruhig, wie du jetzt aussiehst.
Henne: Gut! Jetzt hängen meine Haare im Gesicht. Na ja, also nur auf der einen Seite und sind sonst ziemlich, wie nennt Phill es, „aufgewuschelt“. Ansonsten habe ich meine Augen mit Kajal umrundet und meine Fingernägel heute schwarz lackiert. Außerdem habe ich seit Januar mehr und mehr meine Klamotten verdunkelt und angepasst.
Melly: Irgendwie kenne ich diesen „Style“ schon von dir, aber du hast das vor Jahren doch abgelegt. Du siehst wieder aus, wie ein Emo! Bist du wieder ein Emo?
Henne: Bin ich das? War ich je etwas anderes? War ich es je? (guckt fragend)
Melly: Ich dachte zumindest, du hättest dich geändert.
Henne: Melly, dann überleg doch einmal, wie ich dir zum Beispiel im Interview 2006 geantwortet habe. Mein Outfit mag anders gewesen sein, aber meine Ansichten zur Welt und meine Gefühle waren nie anders. Ich habe sie nur nicht nach außen getragen, oder weniger nach außen getragen.
Melly: Also dein Outfit war wirklich mal heller, viel heller. Deine Gedanken und Gefühlswelt, so gebe ich dir Recht, war wohl nie wirklich anders. War das die „Maske“, von der du im ersten Interview gesprochen hast?
Henne: Ja, das war ganz sicher eine der Masken.
Melly: Warum hast du diese denn aufgesetzt, wenn du dich – und das nehme ich an – jetzt so wieder nach außen präsentierst, nie gewollt oder anders gelebt hast?
Henne: Das kann ich nicht erklären. Das muss etwas aus meiner Phase der Verleugnung gewesen sein. Ich weiß nicht, warum ich das tat. Ich weiß aber, dass dies einer meiner großen Fehler war. Aber wollen wir jetzt schon von meinem neuen bzw. eigentlich ursprüngliches „ich“ sprechen, oder nicht doch chronologisch das Interview weiterführen? Ich denke, so kommen wir dann zu der Erklärung, wie ich mich heute zeige.
Melly: Okay, aber du weißt, ich führe das Interview.
Henne: (verdreht die Augen) Ja, weiß ich doch. Ich bin eben dominant. (lächelt)
Melly: Lassen wir das.
Henne: Was’n nun?

Wir müssten aus diesem System raus

Melly: Egal. Ich fange dann mal an. Als wir das Interview in Moritz führten, sah es so aus, als hättest du den Menschen, den du zu der Zeit am Meisten liebtest, verloren. Du hast ihn auch verloren, aber nicht aus dem Grund, den du damals angenommen hast, denn es geschah für dich ja noch viel Schrecklicheres. Möchtest du erzählen, was passiert ist?
Henne: Ich denke, das Grundgerüst hierzu kann man schon in meinem Jahresrückblick 2006 sehen.
Melly: Möchtest du es nicht trotzdem kurz erzählen?
Henne: Okay. Also nach diesem wirklich blödem Treffen mit „meinem Engel“ – und das bleibt er, egal, was passierte – wurde alles Anfang März 2006 alles noch schlimmer. Ich weiß, dass ich bei unserem ersten Interview sagte, dass unsere Gemeinschaft nicht sektenartig sei und du weißt, dass dies eine sehr gute Umschreibung war. Ich erzählte damals auch, dass es mit meinen Eltern wieder besser wird. Das war aber alles ein Trugschluss. Ich holte kurz nach dem Interview Phill aus dem Internat ab, was nicht zur Freude meiner Eltern war. Der Sinn des Internats war doch, Phill auf die Linie unseres Glaubens zu bringen, auch wenn ich dies zu der Zeit noch verneinen mochte. Meine Eltern machten, als ich Phill dabei hatte, doch größere Probleme.
Wie du weißt, habe ich noch zu einer ehemaligen Lehrerin von mir einen guten Kontakt. Sie erkannte schon früh die Sektenartigkeit meiner Familie, auch wenn meine Eltern es lange verbargen. Seit dem es Papa so schlecht ging, ist die Glaubensgemeinschaft aber wieder bei uns in der Familie ein Thema. Diese Lehrerin versucht mich schon seit langem aus der Gemeinschaft zu holen. Ich habe aber immer widersprochen und geleugnet. Ende Februar (Anmerkung: 2006) sprach ich mit ihr, als wir uns zufällig trafen, über die Probleme zu hause und was meine Eltern sagten, als ich Phill nach hause holte. Sie sagte zu mir, wir müssten aus diesem System raus und sie wolle mir helfen. Zum 03. März (Anm.: 2006) hatte sie mich soweit. Na ja, es war davor, am 03. März wollten wir uns bei ihr treffen. In der Nacht wollte ich bei einem Freund schlafen. Du solltest mir dafür ja das Alibi geben. Offiziell war ich bei dir. Am nächsten Tag wollten wir, meine ehemalige Lehrerin zu einer Bekannten von ihr, die mir und Phill beim Austritt helfen sollte, aber… (Henne guckt traurig auf den Boden)
Melly: Alles okay? Pause?
Henne: Nein, (atmet tief durch) jetzt muss es raus, sonst frisst es mich wieder auf.
Melly: Also sie wollte dir helfen, aber?

Das mit eurer Schwuchtelei hat ein Ende. Dafür haben wir gesorgt

12 Days of Hennes Christmas – Meine 12 Monate in Bildern (Mai 2015)
Blick auf den Hafen Orth a. Fehmarn

Henne: Ja, genau. Aber es kam nicht mehr dazu. Ich weiß es noch ganz genau, es muss so gegen acht Uhr am Abend gewesen sein. Ich saß bei dem Freund und wir waren am Reden, da klingelte mein Handy und mein Vater sprach mit ernster Stimme: „Das mit eurer Schwuchtelei hat ein Ende. Dafür haben wir gesorgt.“ Natürlich sagte er das auf Englisch. Und dann kam so etwas, er wisse, wo ich sei und was ich vorhabe. Dann erklärte er mir, dass man meinen Engel „aufgeklärt“ habe. Ich glaube, ich bin in diesem Augenblick bleich geworden und legte auf.
Melly: Was ist dann geschehen und was meinte dein Vater, mit der Schwuchtelei habe es ein Ende, dein Engel sei aufgeklärt und er wisse, was du vor hast?
Henne: Was geschehen ist? Ich weiß es noch immer nicht. Ich kann es mir wieder nur denken und weiß es aus „dritter Hand“. Bei mir läuft von dem Augenblick ein Film ab. Ich bin, wie ein Roboter, sofort zu einem PC bei dem Freund und habe meinen Engel angeschrieben, dass egal, was man ihm gesagt habe, nicht stimmt.
Ich bekam als Antwort, dass ich der größte Fake sei, den er je kennen gelernt habe. Das traf mich wie ein Schlag mit einem Baseballschläger. Ich wollte eigentlich sofort nachhause fahren, aber der Freund hielt mich davon ab. Er hat in diesem Augenblick, denke ich, erkannt, dass ich kurz vor einem Zusammenbruch war. Ich weiß ab jetzt nicht mehr, was danach geschehen ist, weil ich in einem Schockzustand war. Meine Erinnerung setzt erst so richtig wieder ein, als ich am nächsten Tag nachhause gefahren bin. Ich war nicht mehr bei der Beratung, glaube ich, zu der meine Lehrerin mit mir wollte. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich irgendwann in der Nähe unserer Straße stehe und mich eigentlich nicht nach hause traue. Ich verstecke mich in der Nähe und dort habe ich gewartet, bis es dunkel bzw. sogar Nacht wurde. Ich habe wohl die ganze Zeit geheult und ich glaube, ich habe meinem Engel und jemanden, den wir beide kannten, SMS geschrieben. Ich habe versucht alles zu erklären, wie ich es mir vorstellte. So gegen 23 Uhr habe ich mich dann leise ins Haus geschlichen. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher, obwohl ich doch nichts getan habe. Doch das habe ich, aber… Egal… Also ich schlich mich rein und sah bestimmt komplett fertig aus. Ich hoffte, mich bemerkt niemand. Ich wollte niemanden begegnen, mit niemanden reden, nur schlafen und nur heulen. Ich las noch einmal alle Nachrichten meines Engels und heulte.
Phill hat mich aber doch bemerkt und sprach mich leise an. Er hat sicher mein verheultes Gesicht gesehen. Er sagte zu mir, er wisse, was geschehen sei, zumindest wisse er es im Groben, was geschehen sei. Phill sagte zu mir, er habe dafür kein Verständnis und nahm mich in den Arm.
Was jetzt geschah, weiß ich auch nicht mehr. Ich werde wohl Phill gebeten haben, zu gehen, aber er ging nicht. Wir beschlossen in dieser Nacht etwas Folgenschweres. (Hendrik fängt an zu weinen und verlässt das Boot.)

An dieser Stelle brechen wir das Interview hierzu ab und bitten euch um Verständnis, sowie die Geschehnisse für diesen Teil in dem Jahresrückblick 2006 zu lesen. Dort hat Hendrik es geschafft darüber zu schreiben.

Ich entspreche allem, nur keinem Klischee

Melly: Na, Hendrik, geht’s wieder? Du bist wieder weggelaufen und wir haben uns Sorgen gemacht. Ich habe beschlossen, diesen Punkt jetzt auszulassen. Du hast darüber ja auch auf deiner Seite geschrieben. Dazu sollte damit alles gesagt sein, oder?
Henne: Ja, irgendwie schon, aber ich möchte noch einmal sagen, dass das was noch im ersten Interview dazu sagte, gegen das, was im März geschehen sollte, wie eine böse Vorahnung klingt. Wie eine Voraussage dessen, was noch kommen könnte. Wäre das nicht davor gewesen, man hätte diesen Teil auch jetzt so beantworten können, nur sind die Gründe des ersten Interviews aus dem Standpunkt banal.
Melly: Ich finde, das soll es dazu gewesen sein. Lass uns doch jetzt zurückkommen, auf das, wie du dich heute zeigst, oder möchtest du noch etwas dazu zu sagen?
Henne: Ich weiß nicht? Vielleicht schon? Entscheide du, ob du doch noch Fragen hast.
Melly: Nun ja, ich kenne nur den Entwurf, den du gerne auf die Seite stellen möchtest zu deinem Jahresrückblick auf 2006. Dort wird nur das Jahr 2006 beleuchtet. Magst, wenn du schon Fragen zu 2007 beantworten?
Henne: Wenn wir darauf kommen möchten, wie ich mich zurück verändert habe, wäre dies wohl sinnvoll, oder?
Melly: Henne, also du hast in 2006 einen Suizidversuch hinter dir. Du hast es 2007 noch einmal versucht. Du hast wieder keinen Erfolg gehabt, dich dieses Mal aber auch behandeln lassen. Darf ich fragen, ob das auch mit deinem neuen… Entschuldige, wenn ich es so an deinem Outfit festmache. Mir ist klar, dass da dazu auch eine bestimmte Einstellung gehört, die du gewiss auch hast, aber das ist nun dies, was man von außen sieht. Hat dein Suizidversuch auch mit deinem neuen Stil zu tun, also bedingt das eine das andere?
Henne: NEIN, auf gar keinen Fall.
Der Entschluss meine, ich nenne es einmal, alte Einstellung wieder aufzunehmen, ist schon viel früher gefallen und auch wenn es ein Klischee sein mag, Emo-Sein heißt auch suizidal zu sein, so hat es damit rein gar nichts zu tun. Ich entspreche allem, nur keinem Klischee, auch wenn ich mich hier und da so präsentiere. Nein, mein Versuch hat einfach damit zu tun, dass ich an zu der Zeit bemerkt habe, dass ich meinen Engel für immer verloren habe, weil ich einfach einen Riesen Scheiß gemacht habe, dass ich so meine Vergangenheit verschwiegen haben. Aber auch mein Engel war nicht schuld. Ich fühlte mich einfach so alleine zu der Zeit. Meine Paniken begannen auch wieder in diesem Jahr. Schon wieder spürte ich, dass ich Menschen enttäuscht habe, weil ich einfach nicht konnte, was ich wollte. Diese Paniken will ich nie mehr haben. Dann stritt ich mich noch einmal mit meinen Eltern aus einer Banalität. Es ging einfach nichts mehr und ich habe so gehofft, dass es vorbei ist. Ich nutzte ja dieses Mal auch eine andere Variante. Was es war, möchte ich aber hier nicht sagen. Du weißt es, mein Bruder weiß es, meine Eltern wissen es und ein paar Freunde, die meinen kompletten Abschiedsbrief gelesen haben. Irgendwann, wenn ich es verdaut habe, kann ich darüber vielleicht reden. Wenn man bedenkt, dass bis jetzt nur ganz wenige wissen, dass ich es im Mai noch einmal versucht habe. (Henne fängt fast an zu weinen)
Melly: Und wie geht es dir jetzt?

Dass ich einfach nicht mehr der bin, der keine Gefühle an sich lässt

Henne: Besser und ich bin mir sicher, dass es genau der richtige Entschluss war, den ich traf.
Melly: Welcher Entschluss, der des Suizids?
Henne: Nein, der, dass ich einfach nicht mehr der bin, der keine Gefühle an sich lässt. Der, der seine Musik hört, der seine Einstellung nach außen trägt. Kein blond gefärbtes Hendrikchen mehr. Keiner der krampfhaft versucht zu allen nett zu sein.
Melly: Nö, jetzt ein schwarz gefärbtes.
(Henne lächelt)
Henne: Ja, genau, aber das ist ja nur ein Teil. Ich will einfach zeigen, ich bin ein Teil davon und stolz, aber kein „Wannabe“.
Wenn einer mit seinen Klischees kommt über meine Einstellung, dann kann ich ihm ins Gesicht sagen, dass es nicht so ist und man eben als echter Emo, wenn wir dem Kind mal einen Namen geben, nicht am ritzen und eben nicht „dauerdepressiv“ ist. Du weißt, dass ich auch lachen kann und gerne lache, sogar meinen Clown spiele. So sind die echten Emos auch. Wir haben auch Spaß am Leben, aber wir sehen es vielleicht realistischer, was auch die Musik ausdrückt, ohne die „rosarote“ Brille. Wir sehen Menschen, wie sie sind. Sie hassen uns (mit uns meine ich alle Menschen) und sind eben unecht.
Melly: Bist du unecht?
Henne: Wenn du meinen Engel fragst, bestimmt. Wenn du daran denkst, wie ich in den letzten Jahren auftrat, dann auch, aber innerlich, in meiner tiefsten Seele, war und bin ich hoffentlich echt. Obwohl ist dieser Glaube nicht egoistisch? Vermutlich werden andere das besser beurteilen können, wie echt ich bin.
Melly: Du sprichst so negativ über die Zeit zwischen den Perioden Emo – Sunnyboy Henne – Emo, heißt das, du hast ein Problem mit der Zwischenzeit? Welches? Und warum hast du es dann gemacht? Warum warst du der Sunnyboy?
Henne: Auf eine gewisse Weise habe ich sogar ein großes Problem damit. Es ist wie mit der Zeit, als ich es mit einem Mädel versucht habe. Guck mal, diese „Sunnyboy-Phase“, wie du sie nennst, begann zu der Zeit, als ich es das erste Mal so richtig mit einem Mädchen versuchte, als ich meine „schwule Seite“ verleugnete. Das ist die Zeit, in der ich die Schule zu euch wechselte. Und das kann ich auch nicht erklären.

Ich glaube, dass ich mich nach außen so verändert habe

Melly: Anfangs bist du da aber auch noch in „schwarz“ aufgetreten und ich weiß auch, dass dich einige für einen aus unserer „Gruftie“- Ecke hielten.
Henne: Ach ja, und andere für ein kleines Kind. (lacht)
Melly: Aber dann hast du dich geändert, warum?
Henne: Ich kann es nicht sagen, weil ich mich innerlich ja gar nicht geändert habe. Ich glaube, dass ich mich nach außen so verändert habe, ich möchte noch einmal betonen, dass es einer der großen Fehler war, liegt daran, dass ich mich das erste Mal in der Schullaufbahn, bei euch, nein, bei uns am Gymnasium wohl fühlte und mich vielleicht etwas an euch anpassen wollte. Ich bin ja eigentlich mit der Einstellung zu euch gekommen, liebt mich oder hasst mich. Lieber ihr hasst mich, das ist am ehrlichsten und so bin ich auch aufgetreten. Dann bin arrogant geworden, aber das war ja auch genau das, was man wollte und das Attribut, das man mir zuschrieb. Noch mal, es war ein Fehler. Ich hätte mein „Dasein“, so wie ich davor lebte, genauso weiter leben sollen. Der „Sunnyboy“ war einfach doof und eine meiner Masken. (Henne lächelt)
Melly: Das hier ist jetzt aber keine Maske?
Henne: Nein, Melly, das ist keine Maske. Das bin ich.
Melly: Ich muss dich jetzt noch einmal etwas zum Abschluss fragen, was nicht ganz so ernst erscheint, um auch das Interview, was komplett eher eine „schwere Kost“ ist, nicht so enden zu lassen.
Henne: Okay, frag.
Melly: Wir haben es bereits angeschnitten. Deine Haare hängen jetzt über dein rechtes Auge. Kannst du auf dem Auge überhaupt noch was sehen?
Henne: Nein! (grinst) Aber das hat auch den Grund, dass ich sowieso auf dem Auge etwas stärker kurzsichtig bin und durch die Haare verstärkt es sich bestimmt nur.
Melly: Und hast du Probleme damit?
Henne: Ähm, nö, nicht wirklich, oder ein kleines schon. Ich „rassel“ neuerdings, wenn ich aus dem Fenster in meinem Zimmer gucken will, immer an den – ich glaube, man nennt es so – Fenstersturz rechts, weil ich den echt nicht sehe und dann auch nicht daran denke, dass es den auch noch gibt.
Melly: Och Henne, den musst du doch kennen! Du wohnst da doch schon Jahre, obwohl du ja schon immer gegen alles Mögliche gerannt bist.
Henne: Ja, aber sonst hat mich mein Auge wohl doch immer davor bewahrt und jetzt sehe ich es nicht mehr. (lächelt) Mein Gehirn denkt dann wohl, die Wand dort gibt es nicht mehr.
Melly: Wie wird es beim Auto fahren sein?
Henne: Wie meinst du das? Ach so, na dann nehme ich die Haare aus dem Gesicht, sonst setze ich mein Auto noch an die Wand oder so, das muss nicht sein.
Melly: Also dann halt immer schön die Augen auf und renn nicht gegen zu viele Wände und Türen.
(alle lachen)

Dieses Interview führte ich mit Hendrik im Februar 2006 und im Juli 2007.
Ich hoffe, es zeigt euch Hendrik aus einem anderen Blickwinkel und einige von euch verstehen unseren „kleinen“ Henne nun etwas besser.

Henne hat seit kurzem einen neuen Freund, auf Hennes Wunsch hin, haben wir nicht über ihn gesprochen, da dieses, wie er sagt, noch alles viel zu frisch sei. Henne blüht aber mit seinem neuen Freund auf und scheint neuen Lebensmut gefasst zu haben, auch wenn sein Freund einer wie Henne ist.

Wir haben auch nicht über seine Familienprobleme gesprochen, weil es Henne belasten würde.
Es sollte aber gesagt werden, dass alle vier (Henne, sein Bruder und seine Eltern) wieder zusammen finden.
Hennes Eltern sind noch immer in der „Glaubensgemeinschaft“. Sie überlassen es aber Henne und Phillip, ob sie auch dieses Leben leben möchten.
Henne hat mir erzählt, dass er irgendwann vielleicht auch einmal darüber sprechen wird, was genau in seiner Familie passiert ist. Was genau zu all diesen Umständen führte.
Zurzeit ist Henne aber noch nicht so weit.

Ich danke Henne für dieses sehr offene Interview und hoffe, dass bei ihm jetzt wirklich alles gut wird.

Eure

Urlaubswebmasterin
Melly

*1 Aus Jäckel, Karin: Furcht vor dem Leben, Wenn Jugendliche den Tod als einzigen Ausweg sehen, Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe, Bergisch Gladbach, 1998 ISBN 3-404-604452-0

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